Corona Gedenktag

Corona-Gedenktag am 18. April 2021

Einige ganz persönliche Gedanken zum avisierten kommunalen Gedenkakt, um den Coronatoten zu gedenken

In einem alten Kirchenlied heißt es „Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen“.

Über Jahrhunderte war es die Großfamilie, in der Jung und Alt gemeinsam immer wieder den Kreislauf von Geburt und Tod durchlebten. Auch heute stehen wir zueinander, wenn ein Mensch die irdische Seite verlassen muss. In Zeiten weltumfassender Medien, Fernsehen und Internet erleben wir Tod und Sterben in aller Deutlichkeit und mit allen schrecklichen Bildern.

Den tatsächlichen Abschied, erleben wir dieser Tage sehr isoliert. Kleine Gruppen begleiten an zwei Händen abzählbar die Verstorbenen und die allernächsten Angehörigen auf den Friedhöfen. Nicht wenige Menschen gehen von dieser Welt, ohne dass Freunde, Bekannte, Nachbarn und ehemalige Weggefährten ihnen in den letzten Wochen und Monaten die Hand halten konnten, das Leben nochmal Revue passieren lassen. Die Pandemie verlangte viel von uns. Sie nahm Nähe, Berührungen und ein aktives Verabschieden im Leben wie im Tod.

Viele Menschen verloren durch Corona oder zusätzlich zu ihrer Erkrankung mit einer Infizierung mit Corona ihr Leben. Das berührt und betrifft uns menschlich und emotional sehr. Ich sehe aber auch die vielen Menschen, denen wir bei unheilbaren Erkrankungen selbst in dieser wohlhabenden Gesellschaft und einer sehr präsenten Pharmazie nicht zu helfen vermögen. Kaum eine Familie, die nicht durch eine unheilbare Erkrankung einen lieben Menschen verloren hat. Kaum eine Familie, in denen Worte, wie Krebs, Tumore, Herzinfarkte – um sehr wenige zu nennen, nicht das Leben erschweren. Die Zahlen Betroffener sind unfassbar hoch. Meine Mutter ist 2004 an ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) verstorben. Ein grausamer Verlauf und bis heute unheilbar, die Zahlen der Erkrankten exorbitant steigend.  Es widerstrebt mir, Menschen in unserer Stadt nach ihrer Diagnose zu würdigen. Familien, die einen lieben Menschen verlieren, sind in ihrer Wertigkeit doch nicht unterschiedlich! Wie kann man dann einen Tag des Gedenkens für die Diagnose Corona ins Leben berufen, kommunale Gedenkfeiern avisieren, Fahnen hissen – wo doch so viel ebenbürtiges Leben durch andere nicht mindere Ursachen ausgelöscht wird.

Ich kann das mit meinem Gewissen schwer vereinbaren, und das ist meine ganz persönliche Haltung. Was sage ich den Hinterbliebenen, die junge Menschen bis zum Ende ihrer Lebenstage im Hospiz begleitet haben? Was sage ich den Familien, die nach jahrelanger Chemotherapie ihre Angehörigen verloren haben und dieser Tage zu Grabe tragen? Sind sie nicht auch des ehrenden Gedenkens wert?

Meine tiefe Anteilnahme gilt allen, denen das Leben nicht mehr Zeit zu schenken vermag, wo unsere Möglichkeiten auf dieser Erde bemessen sind und wir alle nicht mehr helfen können. Was bleibt sind unser Mitgefühl und unsere aufrichtige Trauer – für jeden, unabhängig der Todesursache – Das ist unsere gesellschaftliche Pflicht!

Anja Heinrich
Bürgermeisterin der Stadt Elsterwerda